Eigentlich wollte ich noch ein paar überflüssige verspätete Anmerkungen zum Vodefone-2.0-Hype der letzten Woche machen, aber der Galle verspritzende Meinungs-Einseiter Don Alphonso hat zu diesem Thema eigentlich schon alles gesagt, was zu sagen ist, und das auch noch, ich muss es widerwillig zugeben, gekonnt. Sein Credo lautet in diesem Blogbeitrag vor allem, und ich stimme ihm in jeder Hinsicht zu, dass diese ganzen Versuche, social-dieses und 2.0-jenes als Mittel zur Kommuniktion und Werbung zu verwenden, fast immer mangels Publikum scheitern. Wen wundert das? Denn das ist ja, aus Sicht des social-media-Nutzenden, der ganze Sinn dieses Mediums: Dass ich zum Beispiel bei Facebook nur den Quark meiner Ex-Kollegen und Freunde lese, nicht auch noch den von Vodafone und seinen PR-Kohorten.
Social/2.0, Twitter und Facebook zu verwenden bedeutet, sich mit der Bibel in der Hand auf eine Kiste zu stellen und zu predigen und 1 bis 30 Stammhörer und pro Tag 50 bis 500 zufällig Vorbeimarschierende zu erreichen. Das ist auch bei den Superbloggern in diesem Lande nicht viel anders. Würde Google nicht für ein Grundrauschen fehlgeleiteter Ergebnislistenklicker sorgen, das SEO-Spezialisten im Blindflug verstärken, wäre das mehr Leuten klar.
Ich erinnere mich an einen Kollegen, die einen fundierten Artikel zum Thema „Wie die neuen Medien den Bürgern mehr Macht geben“ schreiben wollte, und dem das Thema während der Recherche wegstarb, einfach weil es zu wenig echte Beispiele gibt. Also nicht bloß Wunschdenken und PR-Siege, sondern echte, recherchierbare, belegbare Beispiele, in denen Unternehmen zu mehr gezwungen wurden als nur zur Befriedung eines Einzelfalls. Wegen seines Videos „United Breaks Guitars“ mag Airline-Opfer Dave Carroll ja nun seine Gitarre ersetzt bekommen haben, finde auch ich super, aber deswegen fliegen die Leute nicht weniger mit United (naja, vielleicht die Musiker), und wer je US-Flüge erlebt hat, weiß, wie Service-Wüsten wirklich aussehen.
Die Zeiten sind vorbei, da sich das Volk, die Wirtschaft oder die Unternehmen von den Medien dreinreden ließen. Die Bild kann vielleicht einen Kanzler verhindern, aber keinen mehr machen. Dies liegt keineswegs daran, dass „Blogs den Zeitungen die Leser wegnehmen“, was ich so schon für eine gewagte These von Leuten halte, die einfach zu wenig Zeitung lesen und über zig RSS-Feeds und Schnipsel-News verdummen. Sondern dass es inzwischen so viele Stimmen gibt, die einem erzählen wollen, dass dieses oder jenes schlecht oder gut ist, so dass jeder einfach die Ohren zuklappt und auf Durchzug schaltet. Siehe dazu meine Kolumne „Ein zu lang geratenes Plädoyer für probiotische Joghurtdrinks und Smoothies„.
Die Leute ziehen sich auch weiterhin Actimel rein, da kann die empfehlens- und lesenswerte Seite Abgespeist.de toben, wie sie will. Unlängst durfte ich lesen, dass BMW seinen Mitarbeitern, die keinen BMW fahren, via „Unternehmenskommunikation“ – man könnte auch sagen: angekündigter Nötigung – klar machte, dass jeder BMW-Mitarbeiter gefälligst auch einen BMW zu fahren habe. „Wir wollen einen Denkprozess anregen“, sagt ein Sprecher des Konzerns in der SZ. Tja, da hätten sie mal lieber ihre eigenen Denkprozesse angeregt. Denn das ist natürlich ein wundererbarer Aufreger, zumal mal in Sachen Standort mal die Frage stellen sollte, ob wir wirklich mit chinesischen Autoherstellern konkurrieren können, wenn unsere Fliessbandarbeiter einen BMW fahren müssen, was ja durchaus auf deren Gehaltsforderungen durchschlagen düfte. Aber wird wegen der Aufregung auch nur ein BMW weniger gekauft? Ich darf herzlich lachen.
Es mag der Tag kommen, an dem die Bürger in Echtzeit ihren Unwillen _massiv_ ausdrücken und Konzerne zum Umlenken bei Preisen, Herstellungsverfahren oder dem Verhalten gegenüber ihrem Humankapital bewegen können. Aber ich glaube nicht an diesen Tag, jedenfalls nicht zu meinen Lebzeiten. Sascha Lobo wird dank der eher peinlichen Vodafone-Kampagne zum bekanntesten Blogger dieses Landes werden, denn schlechte PR ist gelegentlich wirklich besser als keine PR. Aber niemand wird deswegen Vodafone kündigen oder kaufen, und wenn doch, wird es sich die Waage halten.
Ich zum Beispiel würde ja wechseln, wenn Vodafone mir als Mobilsurfer nicht gleich einen 24-Monats-Vertrag zum BMW-Fahrer-Preis reindrücken würde.