Text-Editoren für ablenkungsfreies Schreiben

Ich habe es mir angewöhnt, beim Schreiben verschiedene Phasen klar zu trennen. Vor allem trenne ich den Arbeitsschritt Entwurf von dem der Überarbeitung. Allerdings bin ich dabei zunehmend unglücklich mit Word, weil es so viele Funktionen hat, die mich auf die eine oder andere Weise ablenken. Daher benutze ich neuerdings gerne einen speziellen Editor für ablenkungsfreies Schreiben.

Q10

q10_editorQ10 liefert fast das, was ich haben möchte: eine Textbearbeitung mit minimalem Funktionsaufwand. Ich sehe bei Q10 am Bildschirm meinen Text und sonst (fast) nichts. Mangels Funktionen bleibt mir nichts anderes übrig, als zu schreiben. Und genau darum geht es ja.

Technisch betrachtet handelt es sich mehr um einen Text-Editor als um eine Textbearbeitung. Tatsächlich speichert die Software alles im Format .TXT, wahlweise UTF-8 (also plattformübergreifend) oder ANSI (alt), wahlweise mit DOS-, Mac- oder UNIX-Umbrüchen. Das Format stört mich nicht, denn UTF-8-TXT kann ich überall importieren, und da ich alles über DropBox synchronisiere, habe ich von allen Rechnern gleichermaßen Zugriff auf alle Texte.

q10_visualÜber [Strg P] lassen sich die Settings aufrufen. Die erlauben vor allem, die Darstellung des Textes zu ändern, allen voran Font, Schriftgröße und -farbe. Vorgabe ist Orange auf Schwarz, was ich bevorzuge und was an den guten, alten Bernstein-Monitor erinnert. Linker Rand, rechter Rand, Abstand von oben und von unten lassen sich pixelgenau einstellen, so dass man unabhängig von der Monitorgröße genau die Breite vor sich hat, mit der man am liebsten arbeitet. Zusätzlich lässt sich festlegen, um wie viel die erste Zeile eingerückt wird, sowie Absatz-Endabstand und Zeilenabstand. Diese Einstellungen wirken sich wohlgemerkt auf alle und zugleich keine der Dokumente aus, denn diese bleiben TXT-Dokumente - es handelt sich um reine Darstellungsoptionen.

q10_infobarEine schmale Infozeile (ebenfalls farblich und von der Größe her anpassbar) gibt auf Wunsch in Echtzeit die Zahl der Wörter, Zeichen mit und ohne Leerzeichen sowie der Seiten an oder lässt sich per [Strg B] ausblenden. Ihre Formel zur Seitenzahlberechnung lässt sich anpassen (Zeilen, Absätze, Zeichen mit und ohne Leerzeichen), allerdings hat sich hier leider ein Bug eingeschlichen, "characters" lässt sich nicht nutzen, die Variable muss derzeit "character" heißen. Cool: Mit [Strg U] setzen Sie sich ein Ziel wie "6000 Zeichen", die Infobar zeigt dann den Fortschritt in Prozent an. Oder: [Strg T] startet einen Timer, interessant, falls man sich zum Beispiel täglich genau eine Stunde fürs kreative Schreiben aus dem Tag wringen muss.

Eine Zeile, die mit zwei Punkten ("..") beginnt, handhabt Q10 als Notiz, über [Strg H] lässt sich eine Liste aller Notizen anzeigen - viel nützlicher ist, dass man damit auch direkt zu der entsprechenden Stelle springen kann, was sich für mich zur Markierung von Zwischen- und Kapitel-Überschriften eignet. Wertvolles Feature auch Autosave alle X Minuten und Y Absätze.

q10_miscÜberflüssig: Die "Schreibmaschinen-Sounds", die sich sogar mit anderen Sound-Sets ersetzen lassen. Auch die "Autokorrektur" ist für mich eher Luxus, eignet sich aber, um zum Beispiel französische Klammern setzen zu lassen oder Wörter zu korrigieren, von denen man selbst weiß, dass man sie *immer* falsch schreibt. Ebenso Luxus: Der Spellchecker mit [F7], der sich mit deutschen Dictionaries aus OpenOffice bestücken lässt. Brauch ich nicht, denn die "Überarbeitung" findet bei mir dann doch wieder in Word statt.

Fazit: Q10 ist ein Text-Editor für Vielschreiber aller Art, der bei mir auf dem großen Rechner ebenso gut läuft wie auf meinem kleinen Netbook (es gibt auch eine installationslose Portable-Variante) und der meine Produktivität in der Phase des "Runterschreibens" erheblich erhöht hat. Kann ich nur empfehlen - auch wenn mir ein paar Features aus myTexts für Mac (siehe unten) gefallen würden.

www.baara.com/q10/

Ablenkungsfreie Alternativen zum Q10-Editor

Alternativen gibt es für Mac und Windows gleichermaßen.

WriteMonkey (Windows)

Bietet nicht nur die gleichen Funktionen wie Q10 - ablenkungsfreies Schreiben im Fullscreen-Modus, änderbare Fonts, Statistikanzeige, Spellchecker ... - , sondern darüber hinaus einige andere, etwa schnellen Zugriff auf Nachschlagewerke. Allerdings existieren durch die vielen Features eben doch wieder lange Menüs und zig Tastaturkürzel - mir ist das alles zu viel.

Wem Q10 aber zu spartanisch ist, der sollte sich mal WriteMonkey ansehen. Läuft ebenfalls "portable" und ist free. https://writemonkey.com/

myTexts (Mac)

Damit fing es an: Auf myTexts stieß ich nur durch bloßen Zufall, durch eine Aktion bei mupromo.com. Habe das kommerzielle Programm nach dem Ausprobieren sofort begeistert erworben (14 Euro kann man auch sinnloser ausgeben) und bin nur dadurch überhaupt auf dieses Software-Genre gestoßen.

Entscheidender Unterschied zu Q10 ist, dass myTexts keine TXT-Dateien speichert: intern wohl schon, aber der Container ist eine Datenbank. Denn myTexts ist zugleich eine Textverwaltung, die Zugriff gibt auf eine Liste von Texten, an denen man gerade arbeitet, und die man auch verschlagworten kann. (Genau dieses Feature vermisse ich in Q10 und wünsche mir daher, dass jemand sich erbarmen möge und eine Qindows-Version von myTexts entwickelt, die Datenkompatibel ist).

Alle Texte lassen sich im DOC-Format exportieren und DOCs auch importieren - natürlich unter Verlust von Formatierung, Struktur und allem, was ein DOC ausmacht. Was mir bei myTexts nicht so gefällt, ist die Darstellung auf dem Schirm. Seitenränder und Fontgröße lassen sich zwar schnell einstellen, aber das hakt hinten und vorne und macht immer wieder mal Probleme neue Anpassungen nötig. Nervtötend auch, dass man bei vielen Updates seine Registrierung neu eingeben muss (und diese Dateien liegen bei mir auf einer externen Platte). Dennoch: Auf dem Mac mein Programm der Wahl zur schnellen Texterfassung. myownapp.com/applications/mytexts/mytexts.html

WriteRoom (Mac)

Vorbild für myTexts war wohl WriteRoom (kommerziell) - kann ich nicht beurteilen, es sei daher nur der Vollständigkeit halber erwähnt. hogbaysoftware.com/products/writeroom

DarkRoom (Windows)

Weil WriteRoom nur für den Mac zu haben ist und obendrein kommerziell, hat jemand DarkRoom als Gegenstück für Windows entwickelt. DarkRoom ist meines Erachtens nicht schlecht, macht seinen Job, beschränkt sich auf das wesentliche, lässt aber die ehrlich gesagt ganz nützlichen Extras von Q10 vermissen. Wer es aber *noch* puristischer mag als Q10 ohnehin schon ist, der sollte es mal ausprobieren. Also: Auch ganz nett - aber Q10 ist mir lieber. they.misled.us/dark-room

JDarkRoom (Java: Mac, Windows, Linux)

Der DarkRoom-Java-Port JDarkRoom macht alle glücklich, die plattformübergreifend arbeiten wollen oder müssen: Dank Java läufts überall, natürlich ebenfalls mit minimaler Funktionalität. Wer das Plattformunabhängige an JDarkRoom nicht braucht, ist meines Erachtens mit DarkRoom, myTexts oder Q10 besser bedient. codealchemists.com/jdarkroom/

Writer (Webware)

Noch plattformunabhängiger ist Writer, denn das arbeitet im Browser, setzt also eine Internetverbindung voraus. Es simuliert eine alte Textverarbeitung, die einen Schreibmaschinenfont mit grünen Buchstaben (in Grenzen änderbar) auf schwarzem Grund verwendet - toll für Retro-Fans, aber richtig gut arbeiten kann man damit ehrlich gesagt nicht.

Vorsicht: Writer erkennt Sie via Cookie; ist das weg, ist auch der Text unerreichbar. Wer Writer mag, sollte sich daher Usernamen und Passwort besorgen - dann lassen sich auch einige Texte speichern. writer.bighugelabs.com/

WestEdit (Windows)

Sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt, scheint nicht mehr weiterentwickelt zu werden: home.online.no/~westerma/WestEdit/

Nachtrag:

Einige Links zum Thema: